Französische Balken?

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MassMover
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Französische Balken?

Beitrag von MassMover »

Sibelius wirbt für die neue Version für seine sogenannten "optical" Haltebögen und Balken. Bei letzteren werden bei Sechzehntelnoten die Notenhälse nur bis zum notenhächsten Balken gezogen. Stellen, an denen die Hälse die Balkenzwischenräume durchqueren werden in der Broschüre "Blitzer" genannt; die Notation ohne solche "Französische Balken".

Ist das gängig? Oder ist das letztlich Geschmacksfrage? Wollen manche Verlage das so?

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stefan schickhaus
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Beitrag von stefan schickhaus »

Manche Verlage legen zurecht großen Wert darauf, dass möglichst wenig durchblitzt. Ich bearbeite grundsätzlich alle Balken mit dem PlugIn "Patterson-Balken" nach, mit dem man die Balkenschrägung so einstellen kann, dass möglichst wenige gefährliche Zwischenräume entstehen. Dieses PlugIn kann auch die "französischen Balken" darstellen - was aber dann doch recht merkwürdig aussieht und noch kein Verlag von mir verlangt hat.

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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Man findet die franz. Balken z.B. -- natürlich -- bei Durand, aber auch bei Schott. Sie haben den Vorteil, daß bei Balken, die Zwischenräume durchqueren, die Schnittstellen zwischen Hälsen und Notenlinien weniger zuschmieren oder -- wie Stefan Schickhaus sagt -- dort "weniger durchblitzt". Dem Notensetzer fallen sie vielleicht auf, ein Musiker bemerkt sie gar nicht (ich habe Kollegen schon öfter gefragt, ob ihnen an den Balken etwas auffällt, es hat keiner bemerkt).
Der Unterschied zwischen franz. und anderen Notenhälsen ist marginal, denn fürs Zuschmieren ist eher der recht flache Winkel zwischen Balken und Notenlinie verantwortlich, nicht der senkrechte Winkel zwischen Hals und Linie.

Nicht daß die Patterson-Beams Finales Verdienst wären, aber womit Sibelius da wirbt, kann Finale dank Patterson schon seit langem.
Es gibt genau 3 Plug-Ins, die ich nicht missen wollte: Pattersons Balken über Taktstriche, Patterson-Beams (aber nicht wegen der franz. Balken, auf die kann man getrost verzichten) und TG-Tremoli, denn die nehmen einem Erkleckliches an Handarbeit ab -- der Rest, na ja...
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MassMover
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Beitrag von MassMover »

Also für mich zum Verständnis: Sind "französische" Balken jetzt die mit nicht durchgezogenen Hälsen oder einfach flacher im Winkel - oder beides, oder etwas ganz anderes?

MM

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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Benutz doch mal die Patterson-Balken (ganz links oben in der Dialogbox: "Französische Balken: erzeugen"), dann siehste es.
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stefan schickhaus
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Beitrag von stefan schickhaus »

"Französisch" sind die Balken dann, wenn in einer gebalkten 16tel-Gruppe nur der erste und der letzte Hals eine Verbindung zu beiden Balken hat. Alle anderen Notenhälse reichen nur bis zum ersten Balken, enden dort und lassen damit den Raum zwischen den beiden Balken frei. Aber, wie gesagt, noch nie wollte das ein Verlag von mir, auch nicht Schott.

Martin Gieseking
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Beitrag von Martin Gieseking »

Im Computerzeitalter macht die Unterscheidung zwischen "normalen" und französischen Balken, außer ggf. aus ästhetischen Gesichtspunkten, kaum noch Sinn. Bei gestochenen Druckplatten verhinderte die französische Methode das Zuschmieren der Balkenzwischenräume. Bei der klassischen Variante konnte in den Ecken zwischen Balken, Notenlinien und Halsabschnitten zu viel Druckerfarbe hängenbleiben, so dass kleinflächige freie Bereiche unter Umständen komplett mit Farbe bedeckt wurden. Das Druckresultat war also entsprechend suboptimal.
Mit entsprechendem Papier und heutigen Druckern ist dieses Phänomen quasi vom Tisch.

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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Da ist man wohl nicht überall gleicher Meinung. Der Dreieckskeil zwischen Notenlinie und Balken und evtl. Hals entsteht beim letzten Balken ja immer, egal ob französisch oder nicht. Und auch wenn heute keine Druckplatten mehr ausbrechen und keine Farbe mehr verschmiert, der optische Effekt bleibt, und viele finden es auch heute angenehmer, wenn der Balken immer an der Notenlinie sitzt und gar keine Keile entstehen. Es ist wohl eher Geschmackssache, ob die Balken die Linien schneiden sollten oder nicht, sozusagen eine Frage des typografischen Stils, aber es ist durch eine andere Drucktechnik nicht irrelevant geworden.
Übrigens habe ich festgestellt, daß man von einem "Hausstil" nur bedingt sprechen kann: Z.B. findet man bei Henle Ausgaben, wo Balken nie Linien schneiden, aber auch andere, wo das nicht beachtet ist. Es scheint, man hat nicht nur mit einer einzigen Stecherwerkstatt zusammengearbeitet. Insofern nehme ich auch an, daß auch bei Schott nicht alles gleich aussieht. Was ich an wenigen(älteren) Klavier-Ausgaben hier rumliegen habe, hat durchweg französische Balken.
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Martin Gieseking
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Beitrag von Martin Gieseking »

Keine Frage, dass die Balken zumindest an den Endpunkten auf den Linien sitzen müssen. Das ist tatsächlich eine der elementarsten Notensatzregeln, alles andere wäre sogar typographisch falsch. Nur die druckfreundlicheren französischen Balken, um die es hier geht, haben heute nicht mehr die Vorteile, für die sie ursprünglich entworfen wurden (Vermeidung zusätzlicher "Schmierstellen").
Ob die Hälse nun durchstechen oder nicht hat keinen signifikanten Einfluss auf die Lesbarkeit (dazu gibt es sogar eine Untersuchung). Du hast ja selbst die Erfahrung gemacht, dass kaum ein Musiker den Unterschied erkennt.
Anders sieht es sich in der Tat bei dem Verhältnis zwischen Balken und Notenlinien aus, wo sich ungünstig gewählte Balkenpositionierungen in Verbindung mit den Linien optisch nachteilig auswirken können.

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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Bin völlig einverstanden, wir meinen eigentlich beide dasselbe: Für den optischen Effekt sind die französischen Hälse nicht ausschlaggebend, wohl aber Balkenlage und Steigung. Übrigens (oder habe ich was falsch eingestellt?) setzt Finale die Balken wie unten, was ziemlich fürchterlich ist:
Dateianhänge
balken.gif
balken.gif (1.16 KiB) 12823 mal betrachtet
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Martin Gieseking
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Beitrag von Martin Gieseking »

Ja, das ist eine definitiv falsche Balkenpositionierung. Der obere Balken müsste die Notenlinie mittig schneiden, statt oben auf ihr zu liegen, so dass der untere Balken die Linie berühren kann. Es hat aber keinen Zweck, Coda mit solchen "Kleinigkeiten" zu behelligen. Sie ignorieren das seit Jahren.

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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Tja, schöner wäre natürlich, Finale würde das gleich korrekt setzen, aber Patterson einmal über die Datei zu jagen, ist ja zum Glück wenig Aufwand.
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Ingo
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Beitrag von Ingo »

Hallo zusammen,
zunächst einmal freut es mich, daß hier solch diffizile Probleme behandelt werden! Zu einer Zeit, als noch gestochen wurde, habe ich bei Peters in Leipzig gelernt, daß die Balken die Notenlinien "wegstechen" müssen, damit beim Druck keine zuschmierenden Keile entstehen. Das bedeutet, daß kein Balken mehr als ein Zwischenraum steigen darf. Das ist jetzt in Finale schon ganz gut gelöst, besser noch mit den "Pattersson-Balken", erspart aber nicht, bei ästhetisch anspruchsvollen Musikalien auf kritische Stellen das Augenmaß anzuwenden und die Balken ggf. manuell zu korrigieren. Nebenbei gesagt, haben die Verlage dieses Augenmaß nicht mehr …
Man kann nicht mit jedem Lied jeden ansprechen:
Der eine find’s gut, der andre muß brechen.

Ulrich Roski

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