Textbögen bei 8tel Noten

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Kantob
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Textbögen bei 8tel Noten

Beitrag von Kantob »


Hallo!

Wie ist der Standard bei 2 verbalkten 8tel Noten mit einer Textsilbe - muss man dort einen Bogen setzen, oder besagt das praktisch schon der Balken? Ich finde immer wieder unterschiedliche Darstellungen und würde es gerne aber richtig handhaben. Spielt es eine Rolle, ob viele (z.B. 10 Stück) solcher Notenketten hintereinander vorkommen? Ist es richtig, dass ab drei 8tel mit einer Silbe auf alle Fälle ein Bogen gezogen werden muss? Gilt das auch für homophone Chorsätze, wo die Stimmen jeweils in zwei Ebenen und in zwei Systemen geschrieben sind?
Über eine detalierte Auskunft wäre ich sehr dankbar!
Über Antwort freue ich mich.

Viele Grüße

Kantob
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Meiner Meinung nach ist es das Vernünftigste, Balken nicht nach Silbenverteilung zu setzen, sondern metrisch. "Manche Komponisten sprechen sich für ein generelles Zusammenbalken aus", schreibt Chlapik.
Traditionell das Üblichere aber ist wohl, die Bebalkung gemäß Silben vorzunehmen und zusätzlich Bögen zu verwenden. Letzteres ist vielleicht gar so unsinnig nicht, weil Balken auch dabei nicht nur anhand der Silben gesetzt werden, sondern trotzdem immer noch metrisch, d.h. die Silbe könnte auch über fünf Achtel reichen, von denen man aber nur vier verbalken würde -- dann macht es ja vielleicht Sinn, die fünf Achtel mit einem Bogen zusammenzufassen.

Wenn ICH das für dich entscheiden soll: Ich nehm 20 Euro pro Entscheidung und würde dann entscheiden, daß du Balken der besseren Lesbarkeit wegen metrisch setzt und die Melismen durch Bögen kennzeichnest. Zwar sind auch die Bögen eigentlich überflüssig, da der Text samt Binde- und Längenstrichen die Silbenverteilung ja unzweideutig erkennbar werden läßt, aber gegen Redundanz, die das schnelle Erfassen erleichtert, ist nichts einzuwenden. Dreifache Redundanz (Balken nach Silben, Bögen nach Silben, Binde- und Längenstriche) erscheint mir höchst überflüssig.
Du schreibst selber, daß du unterschiedliche Handhabungen findest, also gibt es wohl keine einzig richtige. Für eine in sich konsistente mußt du dich selber entscheiden. Aber wie gesagt, gegen 20 Euro...
Geteilte Bratsche ist halbes Leid.

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Manfred
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Beitrag von Manfred »

Wahrscheinlich aus Gewohnheit finde ich Achtel, die nicht nach Text gebalkt sind, sehr irritierend, vermute es geht wohl sehr vielen Chorsängern so.
Der zusätzliche Bogen ist eigentlich überflüssig, wird und wurde aber meist gemacht.
Manfred
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musicara
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Beitrag von musicara »

Tausig: Wenn ICH das für dich entscheiden soll: Ich nehm 20 Euro pro Entscheidung...
Hallo hier spricht musicara, ich neh'm nur 18 Euronen...
musicara
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N.N. Schwaderlapp

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cimbria
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Beitrag von cimbria »

Also ich denke, es hängt ganz entscheidend davon ab, welche Zielgruppe man mit den gesetzten Noten anspricht. Da ich aus älteren Threads weiss, dass Kantob auch ältere Musik setzt, kann ich nur sagen, dass die romantisch beeinflussten Ausgaben, bei denen zusätzlich zu den Balken, die ja schon mehr oder weniger die Melismen augenfällig werden lassen, auch noch Legato-Bögen gesetzt werden, nicht mehr wirklich den Verlagsgewohnheiten entsprechen. Heute möchte man doch wissen, wie die Balken und Legato-Bögen im Original gesetzt werden, oder? Und Balken metrisch zu schreiben halte ich für wirklich unsinnig. Das hiesse dann ja auch für Instrumentalmusik, dass Balken metrisch gesetzt werden sollten aber gerade in der Musik des 17./18. Jahrhunderts haben sie ja auch oft noch artikulatorische Bedeutung.

Viele Grüsse
Cimbria
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Manfred
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Beitrag von Manfred »

Kann ergänzen, in den Noten um 1800, die ich habe, ist auch schon diese Dopplung - Bogen plus Balken üblich. Und daß Balken sehr oft bei instrumentalen Stimmen artikulatorisch sind, kann ich auch bestätigen - habe gerade einen 4/8 Takt vor mir, eine einzelne Achtel, 2 Achtel gebalkt, 2 Schzehntel davon getrennt.
Alte Noten, in denen die Balken nicht nach Text gehen sondern metrisch sind, sind mir bisher nicht untergekommen.
Manfred
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Daß Balken gelegentlich auch artikulatorisch gesetzt sind, schließt ja nicht aus, sie ansonsten metrisch zu setzen, das ist in Instrumentalstimmen ja auch so. In Gesangsstimmen sind sie allerdings ja kaum artikulatorisch gesetzt, sondern gar nicht, bzw. nach Silben.
Es ist sicherlich ein Unterschied, ob man wissenschaftliche Urtext-Ausgaben herstellt oder Noten für den Alltagsgebrauch im eigenen Umfeld. Wer Urtext-Ausgaben herstellt, wird sich wohl an den Urtext halten müssen und gaanz viele Faksimiles studieren. Aber dann, bitteschön, auch alles in alten Schlüsseln setzen, da freuen sich die mitwirkenden Laien-Ensembles der Kirchen ganz besonders...
Geteilte Bratsche ist halbes Leid.

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Manfred
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Beitrag von Manfred »

Wenn Bratschisten über Gesang reden - was sind Silben sonst als Artikulation. Und auch du akzeptierst doch wohl, daß man rein aus Gründen des gewohnten -und daher leichter lesbaren Notenbildes - eine jahrhundertalte Tradition nicht ohne wichtigen Grund bricht, das hat wenig mit Urtext und alten Schlüsseln zu tun. Wo das metrische wirklich reinspielt: bei Hauptschlagzeiten unterbricht man die Balken.
Mach doch die Probe - wohl jeder Sänger wird die Balken-nach-Silben Noten bevorzugen.
Manfred
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

"Mach doch die Probe - wohl jeder Sänger wird die Balken-nach-Silben Noten bevorzugen."
Ja, sicher, aus Gewohnheit. Ich gebe dir Recht, daß man die Sänger, die's lesen sollen, fragen sollte, wie sie's gerne hätten -- würde ich auch so machen.
Ich setze kaum Noten für andere, aber einmal habe ich's getan und den Komponisten gefragt, wie er's gern hätte. Der wollte es metrisch. Musiker denken eben anders als Sänger.

Irgendeinen logisch zu rechtfertigenden Grund gibt es allerdings für melismatische Balken nicht. Viertel und Halbe kann man ja auch nicht nach Silben verbalken, da müssen dann doch Bögen her. Und konsequent nach Silben verbalken kann man auch 8tel und 16tel nicht, da man sie, wie du gerade selber anmerktest, zusätzlich metrisch trennen muß. Also wären Bögen doch eigentlich etwas, das immer geht und außerdem ausreicht.
Mir ist das im Grunde auch wurscht, ich neige nur dazu, für etwas, das ich womöglich befolgen soll, einen vernünftigen Grund wissen zu wollen. Außer daß die Sänger dran gewöhnt sind, finde ich keinen. Und die Tendenz, diese Tradition zu ändern, läßt sich ja nun schlecht leugnen, auch wenn diejenigen, die's anders machen, in der Minderheit sind.

Ich fand gerade einen Notenband, wo vom ersten bis zum letzten Takt alle Balken der Gesangsstimme metrisch gesetzt sind und Melismen nicht einmal durch Bögen gekennzeichnet: "Originale Gesangsimprovisationen des 16. bis 18. Jahrhunderts", Gerig, Band 41 des "Musikwerks", einer Beispielsammlung quer durch die Musikgeschichte (vergriffen, Auswahlbände sind aber im Nachdruck noch bei Laaber erhältlich). Der Band ist von 1972. Er belegt natürlich nicht, daß man das so machen MUSS, und sicher ist er keine Urtextausgabe, die sich an das Notenbild des Originals hält. Er belegt jedoch, daß man es ohne Nachteil so machen KANN. Jedenfalls ist mir unklar, wie man anhand des angefügten Notenbeispiels (auf die Schnelle daraus abgetippt):
http://finaleforum.superflexible.net/fi ... es_521.gif
den Vorteil melismatischer Balken belegen könnte, außer daß es die Verliebtheit in Fähnchen und in wuseliges Notenbild befriedigt.
Ich bin durchaus Traditionalist und plädiere immer dafür, sich an überkommene Standards zu halten, weil unnötige Eigenbröteleien das Leben eher erschweren. Aber wenn der Standard so gar keinen erkennbaren vernünftigen Grund hat...
(Darf aber gerne, wie gesagt, jeder für sich entscheiden.)
Dateianhänge
FaehnchenFaehnchenUeberAlles.GIF
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Die Frage gehört offensichtlich zu den dringendsten Problemen der Menschheit, wird sie doch auch in Amerika rege diskutiert:
http://forum.makemusic.com/default.aspx?f=5&m=223379
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