irrationale Taktarten/Bruchrechnung

Schwierige oder kniffelige Probleme, Feinheiten des Notensatzes etc.
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lima
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irrationale Taktarten/Bruchrechnung

Beitrag von lima »

Ich habe gerade den Ansatz einer Erörterung über einen 7/9-Takt gelesen, der von Tausig gepostet wurde; leider verlor sich der Thread in einer Diskussion über Schweizer Käse... :evil: Das Beispiel aber ist sehr interessant.

Ich möchte wissen, wie man z.B. einen 3/5-Takt macht. Und ob es irgendeinen anderen Weg als jenen über Expressions gibt, ein Notensymbol in den Nenner der Taktangabe zu bringen, etwa zur Darstellung eines 9/8-Taktes als 3/punktierte Viertel. Ich bin mir rel. sicher, dass das nicht geht und dass man das dringend einfordern müsste.

Und ich möchte damit keine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von 7/9-Takten aufwärmen, zumal diese Notationsweisen in Neuer Musik einfach Tatsachen sind - siehe Ferneyhough u.a.. Abgesehen von diesem Guru und seinen Aposteln ist nämlich z.B. 4/6-Takt etwas durchaus Plausibles, wenn auch Ungewohntes: nichts Anderes als eine Einheit von 4 Vierteltriolen in einem 4/4-Kontext.

Vielen Dank für Feedbacks!
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Was im Nenner steht, ist doch völlig wurscht. Du kannst einen 4/8-Takt schreiben oder einen 4/2-Takt, das bleibt ein Vierertakt, nur der Grundschlag ist eben anders definiert. Ein 4/6-Takt hätte eben das Sechstel zum Grundschlag, bleibt aber ein Vierertakt. Der einzige Unterschied wäre, daß es für Achtel und Halbe Notensymbole gibt, aber für Sechstel keines. Warum muß man unbedingt einen Grundschlag wählen, den man nicht wirklich darstellen kann und für den man dann doch Viertel schreiben muß? Damit dreht man doch nur alles um: Was traditionell reguläre Teilungen sind (1/2, 1/4, 1/8) und traditionell irreguläre (Triolen, Quintolen, Sextolen), wird nun zu modern irregulären und modern regulären. Wozu soll das nütze sein, außer daß es eine abwegige Originalität beweist?

Irrational ist das übrigens nicht, mathematisch betrachtet. Die Definition des Rationalen ist nämlich gerade, daß es sich als Bruch darstellen läßt. Irrational würde es erst, wenn du eine Taktart von Wurzel aus 3/7 fordern würdest. Da wird moderne Musik überhaupt erst interessant...

Wenn du schreibst: "Und ich möchte damit keine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von 7/9-Takten aufwärmen", dann muß dir klar sein, daß du das zwangsweise tust, denn es fällt jedem schwer, zu diesem Unsinn die Klappe zu halten, mir besonders.
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lima
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Beitrag von lima »

Wir haben uns missverstanden:

1. ist ein 4/6-Takt *in einem 4/4-Kontext* schon etwas grundsätzlich Nachvollziehbares, das kann man "spüren", nichts Kopflastiges - wie sonst sollte ich das denn notieren? - Mit einer Temporelation, ok, ist aber auch umständlich.

2. gehören Ferneyhough & co. (leider) zu den arriviertesten zeitgenössischen Komponisten; ein Programm wie Finale sollte diese Dinge also beherrschen.

3. komme ich damit in die seltsame Lage, eine Kompositionsrichtung zu "verteidigen", die ich selbst für absurd halte.

4. möchte ich von Tausig trotzdem wissen, wie er das Notenbeispiel gemacht hat (http://finaleforum.superflexible.net/fi ... ng_148.gif - ich weiß leider nicht, wie ich das hochladen kann)

5. Notenzeichen im Nenner kann Finale wohl nur als Expression - oder? Das ist ja nun wirklich nichts Besonderes, sondern eine durchaus verbreitete, sehr anschauliche Praxis.

Danke!
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

"4. ...wie er das Notenbeispiel gemacht hat", lohnt sich nicht zu erklären, die Taktartangabe ist natürlich eine Vortragsbezeichnung. Raffinierter und evtl. besser kopierbar wär's so (2005-Datei):
http://finaleforum.superflexible.net/do ... php?id=680

"5. Notenzeichen im Nenner ... eine durchaus verbreitete, sehr anschauliche Praxis." Anschaulich ja, aber überflüssig, da die Kinderchen ja doch lernen müssen, daß 6/8 zwei punktierte Viertel sind und in den meisten Fällen als Taktartangabe "6/8" werden lesen müssen.
Wahre Anekdote: Eine Schülerin spielte die ersten Töne eines Anfängerstückchens, und ich wurde nicht klug aus dem, was sie spielte. Ich ließ sie das dreimal wiederholen, bevor ich drauf kam, daß sie das Notenzeichen des Nenners mitspielte.

"3. komme ich damit in die seltsame Lage, eine Kompositionsrichtung zu 'verteidigen', die ich selbst für absurd halte."
Absurder noch ist das, was darüber gelabert wird. Folgenden Text werde ich einst ins Deutsche übersetzen. Ob er dann, so befreit von jedem hohlen Intellektualismus, überhaupt noch ein Text ist, kann ich zur Zeit noch nicht entscheiden. Vorerst habe ich mich versucht an der Formulierung:
"So wenig die Kompositionen Ferneyhoughs auf eine klangliche Realisierung verzichten können, um ästhetisch erlebt zu werden, so wenig kann die ihr eigentümliche Distanz zur klanglichen Unmittelbarkeit geleugnet werden."
Übersetzt:
"Damit Ferneyhoughs Musik hörbar wird, muß sie gespielt werden, leider klingt sie schlecht."
http://epc.buffalo.edu/authors/bernstei ... hetik.html
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Hans Josef
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Beitrag von Hans Josef »

Tausig,
ich sitze hier vorm Computer, lachend und Beifall spendend über:
"hohler Intellektualismus"

Das scheint eine Art Virus mancher ach so wichtigen Komponisten unserer Zeit zu sein.

Gruss,
Hans Josef
wertheimer
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Beitrag von wertheimer »

Hallo,

das wirklich traurige ist, dass solche "Komponisten" von interessierten Kreisen unserer Gesellschaft regelmäßig mit Preisen überhäuft werden (war's hierzulande nicht sogar der sogenannte Siemens-Preis?).
Vollständig absurd wird's aber erst, wenn man bedenkt, dass es Leute gibt, die dies alles ("Freiburger komplexe Schule"), teilweise in jahrelanger Arbeit, tatsächlich üben...

OK - Verzeihung, gehört alles nicht zum Thema, aber Tausigs Übersetzung war einfach so lustig wie treffend...

Gruß

W
musicara
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Beitrag von musicara »

"Die notierten Rhythmen sind schier irrational, wenn auf wenigen Takten polymetrische Überlagerungen im Verhältnis 7:4, 14:9 und 12:9 parallel verlangt werden, zu spielen mit zwei Händen am Klavier und über allem ein leichtes Rallentando im Tempo."(Zitat)
Wenn er doch wenigstens auf's Rallentando verzichtet hätte, den Rest könnt ma scho machen. (Ich krieg immer Darmverschlingungung, wenn ich so was sehe.)
musicara
Der Volltakt ist dem Auftakt an Umfang und Volumen überlegen.
N.N. Schwaderlapp
lima
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Beitrag von lima »

Danke Tausig für die Bereitstellung des Notenbeispiels. Ich habe viel dabei gelernt. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch vertrackten Methoden man das Letzte aus Finale herauskitzeln kann. Das grenzt wahrlich an Ferneyhoughs Gedankengänge! :shock:
WernerJo
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irrationale Taktarten

Beitrag von WernerJo »

Ferneyhough arbeitet mit Finale.
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Ingo
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irrationale Komponisten

Beitrag von Ingo »

Muß mich doch sehr wundern, mit welchen Problemen sich mancher herumschlägt, wo wir doch mit Finale ganz andere haben … Im übrigen plädiere ich dafür, solche Komponisten auf einen anderen Planeten umzusiedeln.
Man kann nicht mit jedem Lied jeden ansprechen:
Der eine find’s gut, der andre muß brechen.

Ulrich Roski

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lima
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andere Planetel?

Beitrag von lima »

Man sollte zunächst jene auf "anderen Planeten" ansiedeln, welche die genannten Komponisten pushen. Das wäre effizienter.
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Ingo
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Pusher

Beitrag von Ingo »

genau.
Man kann nicht mit jedem Lied jeden ansprechen:
Der eine find’s gut, der andre muß brechen.

Ulrich Roski

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Thomas Hauber
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Beitrag von Thomas Hauber »

Ich möchte ja nicht lästern (und ich habe mich auch sehr amüsiert über die Beiträge dieses Threads!), aber die Mathematik hört doch in der Musik nicht auf, oder?! Also, für mich ist 7/9 das gleiche wie (gerundet) 3,11/4. Demnach müsste der 7/9-Takt dem 3,11/4-Takt entsprechen. In Tausigs Beispiel findet man aber einen 1,7/4-Takt, was einem 3,825/9-Takt entspräche.

Übrigens: den Herrn Ferneyhough kenne ich nicht und habe beschlossen, mir die Mühe einer Goggle-Suche zu ersparen. Die Internet-Suche nach dem letzten umgefallenen Reissack in der Stadt Wuxi (westl. von Shanghai) erscheint mir weitaus sinnvoller!!
Thomas
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"Ein guter Hürdenläufer nimmt die Hürde knapp!"

"Was ist da los mit dem Gedicht?
Die letzte Zeile, sie reimt sich kaum!"
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

"In Tausigs Beispiel findet man aber einen 1,7/4-Takt..."
Das ist nach dem Bratscher-Dreisatz berechnet, Thomas Hauber:
7 : 9 = 2x : 4
2x deswegen, damit der halbe Wert herauskommt, weil auf der Bratsche immer das sog. Tempo mezzo gespielt wird. Aber gut, daß du aufpaßt, Kompliment!
Hier eine weitere Rechenaufgabe:
http://finaleforum.superflexible.net/fi ... tz_795.gif
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